Faszien in der Rückbildung - ein Netzwerk im Wandel
Die Faszien und ihr Einfluss auf Bewegung, Vitalität und Wohlbefinden sind in den letzten Jahren stark in den Fokus gerückt. Gerade in der Zeit nach einer Schwangerschaft leisten sie eine erstaunliche Arbeit. Bea Eggimann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesem Thema und gibt wertvolle Impulse dazu, wie Faszien in der Rückbildung unterstützt und trainiert werden können.
Faszien - das verborgene Netz
Faszien sind weit mehr als „Bindegewebe“. Sie bilden ein flächendeckendes Kommunikationsnetzwerk, das den ganzen Körper von Kopf bis Fuss durchzieht. Sie verleihen uns Spannkraft, sorgen für Beweglichkeit und beeinflussen unsere Körperwahrnehmung.
Ein anschauliches Modell dafür ist das sogenannte Tensegrity-Modell: Knochen wirken wie Stäbe, die nach aussen drücken, Faszien wie elastische Bänder, die Zug nach innen geben. So entsteht ein dynamisches Gleichgewicht. Eine Veränderung an einer Stelle wirkt sich auf den ganzen Körper aus - ein Prinzip, das besonders in der Schwangerschaft spürbar wird.
Veränderungen während Schwangerschaft und Geburt
- Der wachsende Bauch dehnt die Bauchmuskeln, die Faszien werden dünner und die Linea Alba verliert an Spannkraft. Am Ende der Schwangerschaft entsteht bei jeder Frau eine Rektusdiastase.
- Die Rückenfaszien übernehmen durch die Verschiebung des Körperschwerpunktes mehr Arbeit. Dies kann zu Verspannungen und Verkürzungen führen.
- Der Beckenboden wird stark beansprucht unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche Geburt oder einen Kaiserschnitt handelt.
- Hormone machen das Gewebe weicher, ein Effekt, der bis zu sechs Monate nach dem Abstillen anhält.
All diese Veränderungen zeigen: Die Rückbildung betrifft nicht nur einzelne Muskeln, sondern das gesamte fasziale Netzwerk.
Myofasziales Training: Schritt für Schritt zurück in die Balance
Nach der Geburt braucht es Zeit und bewusste Bewegung, um die innere Spannkraft wiederherzustellen. Bea
Eggimann betont dabei die Bedeutung eines myofaszialen Trainings, das gezielt auf die Bedürfnisse in der Rückbildung eingeht:
- Rektusdiastase funktionell unterstützen: Nicht die Breite steht im Vordergrund, sondern die Spannung und die Funktionsfähigkeit der Bauchwand.
- Rückenfaszien geschmeidig halten: Hydrierung und sanfte Bewegungen bringen Länge zurückund lösen Verklebungen.
- Beckenboden ins Gesamtsystem integrieren: Er ist über Faszien mit Bauch und Rücken verbunden und sollte aktiv-dynamisch trainiert werden.
- Atmung und Haltung: Ein frei schwingendes Zwerchfell und eine aufgerichtete Körpermitte sind die Basis für Stabilität.
- Narbengewebe berücksichtigen: Ob Kaiserschnitt oder Geburtsverletzungen, auch Narben lassen sich positiv beeinflussen, wenn man sie in die Bewegung einbezieht.
Dieses Training geht stets schrittweise voran. Es berücksichtigt die besondere Situation von Müttern im Alltag, in dem Schlafmangel, Stillen und emotionale Veränderungen zusätzliche Belastungen darstellen.
Mehr als reine Körperarbeit
Faszien sind reich an Rezeptoren und stark mit dem Nervensystem verbunden. Deshalb wirkt myofasziales Training nicht nur körperlich, sondern auch emotional und energetisch. Es kann helfen, Ressourcen aufzubauen, Stress zu reduzieren und das Gefühl von innerer Stabilität zurückzugewinnen.
Die Rückbildung ist damit nicht nur ein Prozess der körperlichen Regeneration, sondern auch eine Chance, die eigene Körperwahrnehmung zu vertiefen und Vertrauen in den neuen Körper zu entwickeln.

Fazit
Faszien sind ein entscheidender Teil der Rückbildung. Sie verbinden Muskeln, Organe und Strukturen miteinander und reagieren auf jede Veränderung im Körper. Durch gezieltes, myofasziales Training können Spannkraft, Beweglichkeit und Wohlbefinden gestärkt werden, für mehr Leichtigkeit im Mama-Alltag und eine stabile Basis für die Zukunft.
Bea Eggimann macht deutlich: Rückbildung bedeutet nicht, zum „alten Körper“ zurückzukehren, sondern die neue Körpermitte bewusst aufzubauen und das fasziale Netzwerk zu nähren, für Vitalität auf physischer, emotionaler und mentaler Ebene.
Rückbildung – Bewusst ankommen und verbinden
Die Rückbildung ist weit mehr als die Wiederherstellung der körperlichen Form nach der Geburt – sie ist eine Einladung, dich mit deinem Körper neu zu verbinden. Durch achtsames, myofasziales Training kannst du Spannungen lösen, Kraft aufbauen und das Vertrauen in deine innere Mitte wiederfinden.
Faszienarbeit unterstützt dich dabei, Stabilität und Bewegungsfreiheit zugleich zu spüren. Sie fördert nicht nur deine körperliche Balance, sondern auch dein emotionales Wohlbefinden. Mit jeder bewussten Bewegung stärkst du die Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele – und damit auch die Beziehung zu dir selbst.
Gönn dir diese wertvolle Zeit für dich: Inseln der Ruhe, der Selbstwahrnehmung und des inneren Ankommens. So kannst du dich Schritt für Schritt regenerieren, zentrieren und mit neuer Energie in deinen Alltag als Mama starten – kraftvoll, gelassen und in dir verankert.
Diese Sichtweise und Trainingsphilosophie stützt sich auf die aktuellen Erkenntnisse aus der Bewegungswissenschaft und der myofaszialen Forschung. Besonders die Arbeit von Karin Gurtner (art of motion, FAMO Fascia Movement), Muriel Morwitzer (art of motion), Sarah Duvall (Core Exercise Solutions) und Diane Lee liefert wertvolle Impulse, wie ein ressourcenorientiertes, funktionelles Training nach der Geburt Körper und Geist nachhaltig stärkt.
Referenzen & Inspiratorinnen:
- FAMO Fascia Movement, art of motion – Karin Gurtner
- Muriel Morwitzer, art of motion
- Sarah Duvall – Core Exercise Solutions
- Diane Lee – Bücher & Weiterbildungen
- Pilates Bern
*Der Originaltext stammt von Bea Eggimann – für PILATES.CH neu aufbereitet und ergänzt. (2025)

